Kontrolliertes Twittern im Showbusiness. Das Beispiel „The Voice of Switzerland“

Morgen startet „The Voice of Switzerland“ im öffentlich-rechtlichen Schweizer Fernsehen (SRF). Mit viel Trommelwirbel wurde das Showformat beworben, das von ausländischen Vorbildern (Deutschland, USA) adaptiert wurde. Das TV-Publikum erlebt in den sogenannten „Blind Auditions“ die Kandidatenselektion der besten Stimmen der Schweiz.

Live? Nein. Ausgestrahlt werden ab morgen sämtliche Shows , die bereits im Herbst und Winter  2012 aufgezeichnet worden sind.  Die 12 Kandidaten für die Finalsendungen stehen dabei seit geraumer Zeit schon fest.

Wie ist es daher möglich, dass bislang noch keine einzigen Informationen über die Endauswahl der Kandidaten „nach aussen“ gedrungen sind? Ist es für einen Produzenten wie das SRF nicht schwieriger geworden, die Kommunikationsaktivitäten seines Publikums  und seiner Singtalente im digitalen Echtzeitalter von Facebook, Twitter& Co zu kontrollieren? Diesem Phänomen bin ich nachgegangen und habe bei der Medienstelle des SRF nachgefragt.

Das Logo von "The Voice of Switzerland" auf der Seite des SRF.

Das Logo von „The Voice of Switzerland“ auf der Website des SRF.

Wie schon bei manchen Pop- und Castingshows mit Publikumshintergrund wird dem Zuschauenden suggeriert, die Show fände gerade live statt. Dieser Eindruck wird mit der neu eingesetzten Interaktivität während der Shows gar verstärkt: Social Media-Kanäle werden in die Sendung integriert und abgesetzte Tweets/Facebook-Posts im Minutentakt in den Monitor hineingespielt.

Verschwiegenheit im digitalen Echtzeitalter

Doch es ist kein Geheimnis: Solche aufwändigen Showformate müssen zeitlich vor der Ausstrahlung produziert werden. Der Zuschauer zuhause wird erst in der Phase des Publikumsvotings Teil des Live-Momentums.  Was den Anschein nach spontanen Kommunikationsbedürfnissen und Gefühlsbekundungen aufgrund der eingeblendeten Social Media-Zuschriften erweckt, ist in Wirklichkeit redaktionell selektioniert und bearbeitet.  Diese Mechanismen sind „Part of the Show“ und damit auch der ausgeklügelten Kommunikationspolicy der Showmacher.

Um meine Vermutungen zu überprüfen, schickte ich dem SRF folgende Fragen via Email:

1. Wie stellen Sie sicher, dass die Kandidaten und das Publikum während der Show nichts nach aussen kommunizieren (ergo: Kein Twitter, Facebook etc. nutzen für ihre Live-Dokumentation) während den Aufzeichnungen?

2. Wie ist die Kommunikations-Policy während der Ausstrahlung der Sendung: Welche Informationen/Inhalte dürfen das Publikum und die Kandidaten kommunizieren? 

Der Mediensprecher des SRF, Marco Meroni, antwortete mir glücklicherweise sehr schnell auf meine Fragen:

„In der Tat ist es so, dass das Publikum sowie die Teilnehmenden sich bereit erklärten, im Vorfeld nichts über die Auftritte bekannt zu geben. Dies deshalb, um die Dramaturgie und Spannung der Sendung aufrecht zu erhalten. Die Coaches wussten ja schliesslich auch nicht, wer da singt. Während der Ausstrahlung von «The Voice of Switzerland» dürfen sich die Talente aber zu allem äussern, nur dürfen sie nicht verraten, welche Entscheidungen in den anstehenden Sendungen getroffen werden – also wer beispielsweise den Halbfinaleinzug schafft und wer nicht. Das gilt bei Interviews mit Medien genauso wie für Twitter, Facebook etc.“

Auf meine Nachfrage, wie diese Kommunikations-Policy durchgesetzt werde und ob mit einem umfassenden Monitoring-System die Äusserungen der Kandidaten im Web beobachtet werden, erhielt ich leider bislang noch keine Antwort. Ein paar Stunden vor dem Start auch weniger verwunderlich (die Medienstellen werden sicherlich überhäuft mit Anfragen).

Doch die bisherige Antwort bestätigt, was ich vermutete. Die Kandidaten dürfen zwar ihre Social Media-Kanäle während der Aufzeichnung und Ausstrahlung nutzen, doch dabei nur bestimmte Inhalte verbreiten. Denn nur so kann logischerweise die „Dramaturgie und Spannung der Sendung“ aufrechterhalten werden.

Was passiert bei versehentlich rausposaunten Insider-Informationen im Affekt?

Eine rigide Abschottung der Kandidaten während den Aufzeichnungen findet trotz vertraglichen Verpflichtungen glücklicherweise nicht statt.  Somit wird ihnen genügend Spielraum gewährt, um mit ihren Fans und Followern direkt zu kommunizieren.

Interessanterweise erwähnte der Mediensprecher die „Medien“ und „Twitter“, „Facebook“ in einem Satz. Das gleichzeitige Aufzählen kann als Gleichwertigkeit zweier verschiedener Kommunikationswege interpretiert werden. Solch ein umfassendes Medienverständnis ist einerseits lobenswert. Andererseits weiss ich nicht, ob man sich auch der Schnelligkeit der Web-Community bei zufällig „entgleiteten“ Insider-Informationen (die jemand im Affekt oder aus Euphorie preisgibt) auf Social Media-Kanälen wirklich bewusst ist.

Wie schnell interveniert das Medienteam von „The Voice of Switzerland“ beispielsweise bei einem Tweet eines Kandidaten,  der „Auftritt sei vermasselt, doch er habe es glücklicherweise trotzdem in die Live-Shows geschafft„. Und das zum Zeitpunkt während seine Gesangsleistung gerade von der Jury kritisch beurteilt wird. Viel interessanter auch: Wie wird das Kommunikationsverhalten des Publikums im Auge behalten?

Inwiefern diese Richtlinien durchgesetzt werden und wie die Kontrolle aller Showteilnehmer bewerkstelligt wird, ist noch unbeantwortet  Vielleicht kommt von Seiten des SRF doch noch eine Stellungnahme zu diesem Punkt. Und bis dahin schaue ich mir gerne mal die Sendungen von „The Voice of Switzerland“ an, auch wenn sie nicht live sind 😉

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