Seit paar Wochen zeichnete sich der Trend zum heutigen Wahlausgang ab: Die Union gewinnt die Bundestagswahl, sie verliert aber ihren politischen Sparringpartner FDP. Worüber sie nicht ganz unglücklich zu sein scheint: Mit einer Grossen Koalition unter der Führung von Merkel würde viele Positionen einfacher durchzusetzen und in der Bevölkerung breiter abgestützt sein. Dennoch würden 4 Jahre Schwarz-Rot vermutlich auch den Ein-Themen und Protestparteien dienen. Ist dieses Szenario wirklich wünschenswert? Ich wage eine kurze Prognose zur Oppositionslandschaft im Bundestag dazu.
Die Kommunikationsprofessorin Miriam Meckel der Universität St.Gallen brachte es im gestrigen Tagi-Interview auf den Punkt: Insgeheim wünscht sich Angela Merkel (CDU) eine Fortsetzung der „Erfolgsgeschichte“ Grosse Koalition 2005-2009. Den Auftrag zur Regierungsbildung geht nach dem heutigen Wahlergebnis ganz klar an die CDU.
Mehr Stabilität durch Schwarz-Rot
Die Vorteile für ein schwarz-rotes Kabinett unter Führung von Frau Merkel liegen auf der Hand: Mehr Stabilität, eine höhere Legitimation der Entscheidungen und einen Grundkonsens über den europapolitischen Kurs von Deutschland. Brüssel erhofft sich dadurch tragfähigere Lösungen, Griechenland ein Abrücken von der Austeritätspolitik und mehr Wachstumsimpulse.
Ausserparlamentarische Opposition würde wachsen
Zum aktuellen Zeitpunkt (20:30) sieht es nach keinem Einzug der Alternative für Deutschland aus (AfD), die mit dem Ausstieg von Deutschland aus der Währungsunion ein populistisches Kontrastprogramm vorgelegt hat. Aufatmen bei den Bundestagsparteien macht sich breit. Doch ist die fehlende Einbindung und Institutionalisierung einer Protestpartei wirklich wünschenswert?
Gesetzt den Fall es wird auf eine Schwarz-Rote Koalition hinauslaufen: Würde die Stimmungslage sich zulasten der EU-Politik der Regierung kippen, könnten Splitterparteien und Protestgruppierungen politisch Kapital daraus schlagen. Die Anti-EU-Forderungen und EU-Neinsager könnte – bei zunehmendem Unmut und Unzufriedenheit mit der Regierungskoalition – ausserparlamentarisch via Petitionen in das Parlament eingebracht werden. Fehlende politische Antworten auf einen weiteren Skandal à la NSA-Affäre wären ein gefundenes Fressen für die derzeit schwächelnde Piratenpartei.
Opposition würde Agenda 2010 bekämpfen wollen
Die bekannten und umstrittenen Arbeitsmarktinstrumente unter dem Namen „Agenda 2010“ würden von beiden oppositionellen linken Parteien (die Linke) und (die Grüne) heftigst bekämpft werden. Sie hätten die Chance, sich damit als echte innenpolitische Reformparteien zu positionieren. Ob Steinbrücks SPD, in einer Regierungskoalition mitbeteiligt, die Auswüchse der Sozialpolitik eindämmen möchte (die er als Minister massgebend mitprägte) ist zu bezweifeln. (Über Steinbrücks Auftreten und Wahlversprechen in diesem Wahlkampf bloggte ich bereits vor paar Wochen).
Bundesländerwahlen als Ventil für Protestparteien
Dem Frust über die Regierungsführung auf Bundesebene wird traditionellerweise in den Bundesländerwahlen Ausdruck verliehen. Diese dienen oft als Ventil gegenüber den Regierungsparteien. Die Linke beispielsweise konnte unter der letzten Grossen Koalition (2005-2009) Wähleranteile über ihre Stammlande hinaus sogar in den westdeutschen Bundesländern verbuchen und in sämtlichen Länderparlamenten einziehen.
Mein Fazit: Für Europa wäre Schwarz-Rot wohl die beste Koalitionsoption. Ob das auch für die Deutsche Bevölkerung gelten wird, darin bin ich noch unschlüssig. Ein gesundes parlamentarisches Parteiensystem mit zwei grossen Volksparteien beinhaltet auch eine starke Opposition, die bereits in der Regierungsverantwortung politisiert hatte. Nur so kann extremen destabilisierenden Maximalforderungen Einhalt geboten werden.